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Ukraine-Hilfe 2022

2022-02-15

Ukraine-Hilfe, Hofheim, Frankfurt am Main und Maintal

Ein Erfahrungsbericht von Februar 2022

CSR-Mitarbeiter: Anton Nikitin

Vorgeschichte

Als sogenannter „Deutschrusse“, geboren in der Sowjetunion und aufgewachsen in Deutschland, galt ich immer als der „Russe“; im Verbund mit den russisch sprechenden Klassenkameraden aus Kasachstan, Russland oder der Ukraine, wurde immer von den „Russen“ gesprochen. Dieses Selbstverständnis ändert sich im Laufe der Zeit und wir streifen versteifte Rollenbilder ab, heutzutage fühle ich mich als Weltbürger, der unterschiedlichste Kulturen kennenlernen durfte über staatliche Grenzen hinweg, mit Familie in Moskau und Freunden aus Kiew und Odessa.

 

Als am 15. Februar 2022 der sich anbahnende Konflikt die nächste Eskalationsstufe erreichte, fielen wir bei der CSR Beratungsgesellschaft „aus allen Wolken“ – plötzlich ist Krieg in Europa. Die Nachrichten überschlugen sich, genauso wie die Gedanken und WhatsApp-Verläufe zwischen Moskau, Kiew und Hofheim. Freunde aus Kiew sitzen bereits am nächsten Tag in den U-Bahn-Stationen Kiews, um sich vor den Bomben zu schützen – unbegreifbar.

 

Wir wollen gemeinsam helfen

Zum Glück war ich nicht der Einzige im Büro, der neben den wahnsinnigen Kursverläufen an den Märkten auch rund um die Uhr den Liveticker zur Ukraine verfolgte. Nach ersten Gesprächen mit den Kollegen stand für uns schnell fest, dass wir irgendwie helfen wollen. Über ukrainische Freunde und Kontakte wurden wir dann auf eine Hilfsaktion von Ukrainern selbst, in Frankfurt, aufmerksam. Es gab sehr großen Bedarf an dringend benötigten Hilfsgütern in den Auffanglagern in Polen, um die geflüchteten Familien versorgen zu können. Unser Geschäftsführer Norbert Clément organisierte einen Transporter bei der befreundeten Firma Brand Transporte, die uns unterstützen wollte. Außerdem schalteten wir einen LinkedIn-Aufruf, aktivierten die Kanäle der Clément Stiftung sowie Freunde, um die Leute in Hofheim und Umgebung zu erreichen. Womit wir nicht gerechnet hatten, war das schiere Ausmaß der Unterstützung: Alle paar Minuten klingelte es im Büro der CSR und es wurden Hilfsgüter vorbeigebracht – die Anteilnahme unserer Unterstützer war vergleichbar mit der Unterstützungsbereitschaft in einer intakten Familie, unserer staatenübergreifenden Familie bei der jeder so hilft, wie er kann. Viele kauften extra noch weitere Hilfsgüter nach und kamen zweimal, boten Hilfe beim Verladen an oder aber auch kostenlose Schlafplätze, die wir weitervermitteln dürfen, sobald die ersten Familien eintreffen. So kam bereits nach ein paar Stunden so Einiges zusammen:

Nach Feierabend haben wir gemeinsam mit allen CSR-Mitarbeitern, die vor Ort waren, die Hilfsgüter in den Transporter eingeladen. Selbst dann kamen noch Leute und brachten weitere Winterkleidung, Medikamente, Masken und alles Brauchbare, so dass wir mit einem mehr als voll beladenen Transporter nach Frankfurt fuhren. Norbert Clément am Steuer und ich als russisch sprechende Vermittlungsinstanz, was sich später als glückliche Fügung herausstellen sollte. Von Frankfurt aus wurden wir direkt weitergeleitet in das Lager in Maintal, denn niemand hatte mit so viel Hilfe gerechnet. Also fuhren wir weiter zum Hauptlager, in dem ukrainische Helfer die Sortierung und das Ausladen vornahmen sowie den Transport nach Polen organisierten. Sie erzählten mir, dass viele von ihnen teilweise selbst erst seit einigen Tagen in Deutschland sind und ebenfalls irgendwie einen Beitrag leisten wollen. Es war bereits spät am Abend und die ukrainischen Helfer waren seit dem Morgen auf den Beinen, dennoch wurde uns geholfen, innerhalb weniger Minuten alles aus dem Transporter auszuladen. Die müden Gesichter ließen erahnen, wie viel Entbehrung in den letzten Tagen bereits erlebt wurde, dennoch waren die vielen Helfer dankbar für unser Engagement. Da ich russisch spreche und ukrainisch nur bedingt verstehe, vergleichbar wie beim Kölner, der einen Ur-Bayern trifft, konnte ich nicht alle Erzählungen verstehen, jedoch genug um zu erahnen, wie sehr die Hilfe gebraucht wurde und heute noch gebraucht wird.

 


Fazit

Am späten Abend waren wir mehr als geschafft und haben aber auch neue Kontakte gewonnen, die uns bei der nächsten Hilfsaktion mit Sicherheit helfen werden, um noch gezielter unterstützen zu können oder dann auch Freunde und Bekannte aus der Ukraine unterbringen zu können. Ich bin froh, mit Kollegen zusammenarbeiten zu können, die das Herz am rechten Fleck haben und dies hier ermöglicht haben:

Am Ende war der Transporter so voll beladen, dass wir eine Tür verschlossen halten mussten. Ich hoffe, dass wir als Europäer und als Weltgemeinschaft weiterhin standhaft bleiben, um unseren Beitrag zu leisten, das sinnlose Blutvergießen zu beenden und den Menschen beim Wiederaufbau ihrer Heimat zu helfen.

 

Zum Nachdenken

Mittlerweile sind knapp 2 Monate vergangen und leider ist noch kein Ende des sinnlosen Leids in Sicht, jedoch konnte ich einige Freunde bereits nach Frankfurt bzw. nach Deutschland holen und bei Freunden, Kontakten und ehemaligen Arbeitskollegen unterbringen. Die behördlichen Gänge sind ebenfalls schon erledigt, damit möglichst schnell eine Perspektive geschaffen werden kann. Denn was wir nicht vergessen dürfen: Bisher konnten fast ausschließlich Kinder mit ihren Müttern sowie Senioren ausreisen und die jungen (oft gut ausgebildeten) Frauen aus der Ukraine warten sehnsüchtig auf die Wiedervereinigung mit den Liebsten in Deutschland, denn eine kurzfristige sowie mittelfristige Perspektive für ein Leben zurück in der Ukraine ist bei dem schieren Ausmaß der Zerstörung auch nach Kriegsende leider nicht vorhanden. Wir stehen hier in der Pflicht, auch nach dem Kriegsende für die Geflüchteten einzustehen und überdies beim Wiederaufbau zu helfen.

 

An den Scheidewegen des Lebens stehen keine Wegweiser.

Charlie Chaplin

britischer Schauspieler

 

Ort: CSR-Büroräume in Hofheim, Annahmestelle in Maintal

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